Warum Ernährung beim Trinken anfängt
Ernährung

Warum Ernährung beim Trinken anfängt

Interview mit einer Ernährungspädagogin

Trotz regelmäßiger Sporteinheiten zeigt die Waage noch dasselbe Gewicht an und auch die Körperdefinition hat sich nicht geändert? War es also nicht genug Sport? Waren die Übungen falsch? Häufig liegt die Ursache gar nicht im Sport, sondern der Ernährung. Erfahre hier im Interview mit Ernährungspädagogin Daniela, wie Du Deinen Körper optimal beim Training unterstützen kannst.
Expertenstimme
Daniela Sacher-Doskoczynski, B.Ed. beschäftigt sich seit über 12 Jahren mit dem Thema Ernährung. Nach ihrem Studium der Ernährungspädagogik in Innsbruck hat sie in Schulen und Küchen ihr Fachwissen geteilt. Inzwischen betreibt sie, gemeinsam mit ihrem Mann, zwei Sportstudios in Berlin, in denen sie neben Personal Trainings auch ganzheitliche Ernährungsberatung und Food Coaching anbieten.

Ich hab morgens selten Hunger. Darf ich dann überhaupt früh Sport machen?

Daniela: „Wichtig ist vor allem, dass Du nach dem Sport isst. Vorher muss das jeder für sich selbst entscheiden. Es ist natürlich schon gut, wenn die Energie für den Sport bereits bereitgestellt wird. Aber wenn Du überhaupt keinen Hunger hast oder Dir dann beim Sport übel wird, ist das eher kontraproduktiv. Wenn Du vor dem Sport isst, dann sollten so ca. 3 Stunden zwischen der Mahlzeit und dem Training liegen, was natürlich für viele im Alltag nicht realisierbar ist. Die wenigsten wollen um 4 Uhr aufstehen damit sie um 7 Uhr ihren Sport machen können.“
Koffein-Kick
Es gibt viele, die schwören auf Kaffee. Studien haben gezeigt, dass Koffein die Ausdauerleistung verbessert und die Anstrengung beim Sport nicht so stark empfunden wird. Da sollten allerdings maximal 30 Minuten zwischen liegen und der Kaffee ohne Milch bzw. Zucker getrunken werden.

Sport morgens ist also nicht unbedingt besser, um den Stoffwechsel anzuregen?

Daniela: „Ja, das ist sicherlich nicht bei jedem so, genau. Wichtiger ist, dass nach dem Training die Mahlzeit kommt wegen der Regeneration. Damit die Speicher, die man beim Sport geleert hat, wieder aufgefüllt werden.“

Was mache ich denn bei Heißhungerattacken?

Daniela: „Grundsätzlich ist Heißhunger ein Kreislauf: Wenn Du sehr zuckerhaltiges isst, steigt der Blutzuckerspiegel rasant an und der Körper schüttet eine große Menge Insulin aus. Bei einem starken Anstieg kommt es zwangsläufig auch zu einem starken Fall. Der Blutzucker sinkt rasant ab, sogar auf ein niedrigeres Niveau als zu Beginn. Dann bist Du unterzuckert und greifst eher wieder auf zuckerhaltiges zurück. Je stärker die Ausreißer nach oben sind, desto stärker reagiert Dein Körper. Das heißt, dieser Heißhunger ist fast schon vorprogrammiert. Andere, weniger zuckerhaltige Lebensmittel helfen, diese Höhepunkte zu vermeiden. Zum Beispiel mit komplexeren Kohlenhydraten. Sie bringen dem Körper Energie, ohne ihn zu überanstrengen. Manchmal können solche Heißhungerattacken allerdings auch von Magnesium- oder Chrommangel kommen. Wenn man also das Gefühl hat, alles schon probiert zu haben, könnte es sich lohnen, einen Arzt zu kontaktieren.“
Regelmäßige Mahlzeiten
Durch regelmäßige Mahlzeiten, trainierst Du Deinen Körper, nicht immer sofort schnelle Energie zu wollen. Ebenso wichtig sind regelmäßige Essenspausen. Der Körper ist sehr lange nach dem Essen noch mit der Verdauung beschäftigt und wenn wir essen, während wir noch verdauen, kann sich der Blutzuckerspiegel schwieriger regenerieren. Wenn Du dem Ganzen etwas auf die Sprünge helfen willst, könntest Du Bitterstoffe (z. B.Grüner Tee, Löwenzahntee, Fenchel- oder auch Lakritztee) nutzen, wie sie bspw. in Tee enthalten sind. Sie regulieren zusätzlich ein bisschen die Lust auf Süßes.
Regulierung der Eiweißzufuhr
Der Eiweißanteil in unseren Lebensmitteln ist häufig sehr verdünnt. Erst wenn die Eiweißzufuhr ausreichend ist, ist der Hunger gestillt. Wenn Du also Lust auf Süßes plus Hunger hast, dann kann es auch helfen, eher zu eiweißhaltigeren Lebensmitteln wie körnigen Frischkäse, hartgekochte Eier, Sojajoghurt oder Sojaflakes zu greifen.

Du hast gerade die Essenspausen angesprochen. Gibt es da eine Art Faustregel, wie lange diese am besten sein sollten?

Daniela: „Das hängt davon ab, was Du zuletzt gegessen hast: Waren es sehr viele komplexe Kohlenhydrate, also Vollkornprodukte, Quinoa, ect., sollte diese Pause länger sein. Ist etwas relativ schnell Verdauliches oder flüssiges, wie eine Suppe, dann ist die Essenspause kürzer. Das Hungergefühl bzw. dieses typische Magenknurren zeigt, dass der Darm sich reinigt und dass er jetzt leer wird. Es ist ein guter Indikator, wieder etwas zu essen. Das haben sich viele abtrainiert und es dauert länger, es sich wieder anzutrainieren, hier eignet sich z. B. Intervallfasten sehr gut.“

Wir sprechen von Snacks und Zwischenmahlzeiten. Woran merke ich, ob ich eine Zwischenmahlzeit oder einen Snack brauche?

Daniela: „Im Optimalfall isst Du drei Hauptmahlzeiten (Frühstück, Mittagessen, Abendessen). Wie viel Energie Du brauchst, ist abhängig von Deinem Alltag: Hast Du einen körperlich anstrengenden Job, brauchst Du eher eine, als wenn Du nur im Büro sitzt. Wenn zwischen den Hauptmahlzeiten eine zu große Pause für Dich liegt, und Du z. B. am Nachmittag merkst, dass Du in ein Energietief kommst, wäre eine Zwischenmahlzeit sinnvoll. Etwas, das Deine Kalorienzahl nicht in die Höhe schießen lässt. Das kann ein Salat sein oder Gurke mit Dip. Ein Snack hingegen hat meistens viele Kalorien; ohne, dass es lange satt macht.“

Was für Snacks würden sich denn für zwischendurch eignen?

Daniela: „Eigentlich solltest Du von Haupt- oder Zwischenmahlzeiten satt werden. Wenn es doch mal einen Snack gibt, dann sollte er niederkalorisch sein. Das heißt, die Menge, die Du isst, sollte wenig Kalorien haben, aber eine Sättigung erzielen. Ein großer Teller Gemüse oder Salat mit einem leichten Dressing usw. ist besser als ein kleiner Teller voller Dinge mit vielen Kalorien.“

Wie erkenne ich so etwas auf den ersten Blick?

Daniela: „Sogenannte niederkalorische Produkte, wie Gurke oder Wassermelone, enthalten sehr viel Wasser, was sich positiv auf Deinen Stoffwechsel auswirkt. Es bringt relativ wenig, kleine Portionen mit vielen Kalorien zu essen. Denn der Körper braucht eine gewisse Menge an Nahrung, um durch das Kauen und die Magenfüllung ein Sättigungsgefühl zu erhalten. Dieser schnelle Snack, z. B. in Form von Riegeln oder Shakes, ist meistens hochkalorisch mit viel Zucker oder Zuckerersatzstoffen.“
Nimm es selbst in die Hand
Bereite Dir Deinen Snack selbst zu. Da wird Dir viel deutlicher bewusst, was Du gerade isst. Sobald Du Dir Gedanken um Dein Essen machst, kommt in der Regel etwas Gesünderes dabei heraus. Und man entwickelt schnell Spaß daran, kreativ zu werden und sich neue Snacks zu überlegen!

Was trinke ich am besten vor, während und nach dem Training?

Daniela: „Die Grundlage sollte immer Wasser sein. Wir bestehen zum Großteil aus Wasser und unser Wasserbedarf sollte gedeckt werden. Das lässt sich leicht errechnen: Faustformel: 30-40ml pro Kg Körpergewicht“
Beispiel: Du wiegst 75 kg x 0,03 oder 0,04 = 2,25 bzw. 3 Liter Wasser täglich. Wichtig: Ist es ein heißer Sommertag? Machst Du viel Sport etc.? Dann eher die 40ml pro kg berechnen!
Pimp my Water
Viele sagen, Wasser schmecke ihnen nicht. Aber: Es wird nie etwas Besseres geben als Wasser, um den Flüssigkeitsbedarf zu decken! Du kannst Dein Wasser etwas „aufpimpen“, damit es besser schmeckt und trotzdem keine Kalorien enthält. Du könntest Scheiben von Zitrusfrüchten wie Grapefruit, Limette oder Zitrone oder auch frische Kräuter, wie Minze oder Melisse ins Wasser geben. Ungesüßte Tees können im Winter warm aber im Sommer auch toll als Eistee eine Alternative darstellen. Außerdem solltest Du nicht unversorgt in den Sport starten. Wasser vor dem Training ist absolut notwendig! Maximal eine halbe Stunde vorher solltest Du ruhig ein Glas Wasser trinken, damit Dein Stoffwechsel angekurbelt wird.
Getränke für Sportbegeisterte
Wer sehr viel Sport macht, kann auf Magnesium bzw. isotonische Getränke setzten. Das schafft die Möglichkeit, Elektrolyte zuzuführen, die regulieren unseren Wasserhaushalt. Die praktischste Variante wäre eine Apfelsaftschorle – oder auch Schorle mit anderen Fruchtsäften. Wichtig ist, dass es 100 % Saft ist. Nektar beispielsweise enthält nur 20-30 % Fruchtanteil und deutlich mehr Zucker. Das Mischverhältnis für Dein selbstgemachtes Elektrolytgetränk ist dann 1:3, Saft zu Wasser. Viele greifen zwischendurch auf Smoothies zurück. Die sind wirklich trügerisch. Wenn Du alles, was in einer Flasche drin ist - 1 Apfel, 1 Banane, 1 Birne, 5 Erdbeeren etc., - auf einen Teller legst und isst, hättest Du ein anhaltendes Sättigungsgefühl. Abgesehen davon, dass Du die Menge wahrscheinlich gar nicht schaffen würdest. Trinkst Du so einen fertigen Smoothie, verspürst Du kaum Sättigung. Das heißt, Du nimmst sehr viele Kalorien und sehr viel Zucker zu Dir, ohne satt zu sein.

Wie regt das Training meinen Stoffwechsel an und kann ich das durch meine Ernährung ergänzen oder unterstützen?

Daniela: „Im High Intensity Bereich gibt es den Nachbrenneffekt, der für den Stoffwechsel effektiv und wichtig ist. Er sorgt dafür, dass der Körper selbst nach dem Sport noch Energie verbrennt. Um den zu erreichen, musst Du das Maximum Deines Pulses erreichen, da der Körper dann bestimmte Zeit braucht, um den Puls wieder runterzufahren. Das ist gerade beim Thema Abnehmen wichtig, um noch mehr Energie zu verbrennen. Beim Trampolinspringen kommt hinzu, dass Du bei regelmäßigem Training auch Muskeln aufbaust. Je höher der Muskelanteil ist, desto mehr Energie verbrauchen diese Muskeln. Die Ernährung hilft insofern, dass Du das Verhältnis von Ernährung und Verbrennen beeinflussen kannst. Wenn Du abnehmen willst, musst Du mehr verbrauchen als Du zu Dir nimmst, aber trotzdem noch genug, um den Körper zu versorgen. Wenn es zu wenig ist, muss der Körper anfangen zu kämpfen. Und so kommt es dann auch zum bekannten Jojo-Effekt. Denn sobald Du wieder mehr zu Dir nimmst und weniger Sport machst, wappnet sich der Körper für die nächste Hungerperiode.“

Muss ich mich anders ernähren, wenn ich nur Ausdauer- oder nur Krafttraining mache?

Daniela: „Du solltest am besten eine Mischung aus beidem machen, damit der ganze Körper genutzt und nicht einzelne Teile überansprucht werden. Zum Muskelaufbau brauchst Du Eiweiß. Die ganzen Tabellen online über den genauen Bedarf sind meiner Meinung nach eher für Leistungsportler:innnen. Wichtig ist eher, dass Du Dir überlegst, woher Du das Eiweiß nimmst. Es lohnt sich, zu einer Ernährungsberatung zu gehen, um individuelle Gegebenheiten in der Berechnung des Bedarfs einfließen zu lassen. Denn ein zu hoher Eiweißkonsum kann negative Auswirkungen auf den Körper haben. Generell gilt: Je natürlicher das Produkt, desto besser. Eiweiß regt zum Zellwachstum an, was bei Muskeln gut ist. Wenn ich den Körper aber damit dauerhaft belaste, dann kann das durchgehende Zellwachstum zum Beispiel auch Krebszellen ankurbeln.“
Dieser negative Effekt vom Eiweiß wird bei pflanzlichen Eiweißen wie Bohnen, Kichererbsen, Quinoa, Brokkoli und Spinat, Lein- oder Chiasamen, so gut wie ausgeschlossen. Sie haben auch einen hohen Sättigungswert, was natürlich auch beim Heißhunger hilft.

Worauf sollte ich bei der Ernährung vor bzw. nach dem Training besonders achten?

Daniela: „Da Du beim Sport auf die Kohlenhydrat- und Eiweißspeicher zurückgreifst, ist es wichtiger, diese nach dem Training aufzufüllen, als vorher etwas im Magen zu haben. Neben den bereits genannten pflanzlichen Eiweißen gelten Magerquark, qualitativ hochwertige Geflügelbrust und mageres Rindfleisch sowie Thunfisch oder Eier als gute tierische Quellen. Um vor einem Mangel geschützt zu sein, solltest Du möglichst breit aufgestellt sein. Dazu solltest Du auf komplexe Kohlenhydrate zurückgreifen, die der Körper über eine gewisse Zeit abbauen kann. Vollkornprodukte z. B. haben viele Schalen, da muss der Körper viel Zeit aufwenden. Süßkartoffeln und Kartoffeln werden mittelmäßig schnell verdaut. Quinoa, Vollkornnudeln oder Vollkornreis eignen sich auch gut.“

Wie kann ich nach dem Sport meine Regeneration mit Ernährung unterstützen und vielleicht auch Muskelkater entgegenwirken?

Daniela: „Muskelkater kommt von Mikroeinrissen in den Muskeln. Da wird man wenig machen können mit Ernährung. Da kommt es auf das Verhalten beim Sport an – regelmäßig und nicht immer übertreiben. Ein bisschen Muskelkater ist gut, weil er ja auch die Zellgenerierung anregt, aber nicht zu viel auf einmal. Regeneration an sich ist ja nicht nur der Ernährungsfaktor, sondern auch der Hormonfaktor und der wird viel über den Schlaf geregelt. Regeneration funktioniert am besten an Tagen, an denen Du keinen Sport machst. Du musst also auch hier ein Gleichgewicht finden, wann Du Sport machst und wann eher Regeneration angesagt ist. An Regenerationstagen kannst Du Dich mit Ernährung beschäftigen, um an Sporttagen schon zu wissen, was Dir guttut.“

Was würdest Du jedem als generellen Tipp mitgeben, Daniela?

Daniela: „Eins ist besonders wichtig: Trinken, trinken, trinken! Weil Dein Stoffwechsel sonst nicht ausreichend funktioniert und Dein Körper wenig aus sich selbst herausholen kann! Ernährung beginnt immer mit Trinken - am besten pures Wasser!“